In der 4. Ausgabe "Historikus Vogtland" (Ausgabe Juli - August 2006)
lesen Sie unter anderem folgende Beiträge:

 

Titelthema: Talsperrenbau
Pöhl - Das versunkene Dorf

... aus dem Inhalt:

„Der Umzug wurde abgeblasen“ – aber nur für einige Tage. Denn dass die Einwohner ihr Dorf verlassen mussten, war unumstößlich, als Pöhl Anfang der 60er Jahre von der Landkarte verschwand.

Auch gegen eine weitere Planungsvorgabe hatten die Kreisverordneten am Ende des ersten, geschlossenen Teils der Sitzung nichts Grundsätzliches einzuwenden. Sollten die 63 Millionen Kubikmeter Speicherraum, die volkswirtschaftlich als notwendig erachtet wurden, entstehen, dann konnte die Staumauer nur unterhalb des Dorfes Pöhl gebaut werden - mit der Konsequenz, den Ort zu fluten und die Gemeinde umzusiedeln. Um diesen entscheidenden Punkt des Talsperrenneubaus drehte sich der zweite, öffentliche Teil der Kreistagssitzung am Abend des 20. September 1956 in Pöhl. Mancher politische Mandatsträger mochte vor Ort heftigen Gegenwind erwartet haben, doch die Diskussion lief erstaunlich friedlich ab. Ruhigen Tones wollten die Bauern wissen, wohin sie einmal umquartiert werden würden. Aus Gansgrün kam die Forderung, eine Brücke zu den östlich des künftigen Stausees gelegenen Ortschaften zu bauen. Ein Fragesteller interessierte sich für die Umbettung der Toten. Resolute Meinungsäußerungen dagegen blieben aus – noch. Als sich die Versammlung gegen 21.30 Uhr dem Ende zuneigte, konnte die Vorsitzende des Rates des Kreises (vergleichbar mit einem heutigen Landrat), Frau Kunst, erleichtert feststellen: „Die Diskussionen haben ... gezeigt, daß eine stillschweigende Zustimmung zu diesem Projekt vorhanden ist“.
Aus Sicht der Funktionärin war die amtlich-optimistische Einschätzung der Lage wohl zu verstehen, an der tatsächlichen Stimmung unter den Dorfbewohnern indessen ging sie doch um einiges vorbei. Schon ein paar Wochen nach der Kreistagssondersitzung hatte ein von der Einwohnerschaft gewählter Ausschuss eine Denkschrift fertig, die die Meinung der Betroffenen wesentlich realistischer widerspiegelt. Grundsätzlich stellten die Pöhler in dem Dokument vom November 1956 die Notwendigkeit einer Talsperre nicht in Frage – wohl aber, dass ihr Dorf dafür geopfert werden sollte. Man möge doch noch einmal überprüfen, ob die Sperre nicht oberhalb des Ortes gebaut werden könne, wie in der ersten Planungsvariante vorgesehen, schlugen die Verfasser vor. Sollte dies nicht möglich sein, so wäre es der Wille aller Einwohner, „ein Dorf Pöhl wieder zu errichten“, und zwar „in unmittelbarer Nähe der Wasserfläche, an verkehrsgünstiger Stelle, ... mit Schule, Kirche, Friedhof, Kultur- und Sportstätten ...“ Vier Bauern schwebte vor, weiterhin einen Bauernhof von etwa gleicher Größe zu bearbeiten, neun weitere wollten aus Altersgründen die Landwirtschaft aufgeben und mit ins neue Dorf ziehen. Auch die acht Handwerks- und Gewerbebetriebe, die Eisengießerei und eine Maschinenfabrik als die beiden größten beschäftigten immer 35 bzw. 20 Personen, hatten vor, ihre Unternehmen unter möglichst gleichen Bedingungen fortzuführen. ...

 
Ortsporträt: Oelsnitz
Halbmond über der Stadt
... aus dem Inhalt:


In der zweiten Hälfte des vorvergangenen Jahrhunderts erlebte Oelsnitz sein Wirtschaftswunder. Es wurden 44 größere Betriebe gegründet, darunter die später weltbekannten Teppichwerke - man fragt sich heute, wo die alle standen.

Wenn Städte oder auch kleinere Gemeinden sich porträtieren, dann fehlen fast nie die Persönlichkeiten, die sie hervorbrachten. Die Oelsnitzer Festausgabe der „Vogtländischen Zeitung und Tageblatt“ von 1933 nennt deren zwei: den königlich-preußischen Konsul in Damaskus Dr. Johann Gottfried Wetzstein, selbstredend Ehrenbürger, und die in Oelsnitz geborene Mutter von Julius Mosen. Die Aufzählung scheint alles andere als vollständig, weshalb im Laufe dieses Beitrags noch einige Namen mehr auftauchen werden.
Doch zunächst einmal zum Ortsnamen. Der erscheint im Jahre 1200 erstmalig als Olsnitz, danach bis 1791 neunmal in mehreren Schreibweisen, unter anderem Olzeniz, Olschnitz und Oelßnitz. Der Name ist abgeleitet von dem altsorbischen Olesnica, was so viel wie Erlenbach, auch Erlenort, heißt. (Die Ortsnamen des sächsischen Vogtlandes, Teil 1, Plauen 1983, S. 59/60.)
Sicher gab es vor einem Jahrtausend jede Menge Erlen im Elster- und im Hainbachtal. Menschen lebten dort schon mindestens 300 Jahre vor der ersten urkundlichen Erwähnung. Beim Bau des städtischen Freibades wurde eine Tonscherbe slawischen Ursprungs gefunden, die Experten auf die Zeit um 900 datieren. ...

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Wirtschaft: Flößen
Holz fürs Flachland
... aus dem Inhalt:


Fast 300 Jahre wurde im Vogtland gewerbsmäßig Flößerei betrieben. Zweimal pro Saison trifteten hunderttausende Scheite die Elster hinab bis nach Leipzig und Halle. Unterwegs fischte man einen Teil legal oder illegal aus dem Wasser – mitunter eine gefährliche Angelegenheit.

Als die Eisenbahn nach 1850 in Deutschland ihren Siegeszug antrat, hatten die Flüsse den eisernen Kolossen nichts entgegenzusetzen. Innerhalb weniger Jahrzehnte liefen die Schienenwege den Wasserstraßen den Rang ab. Nutzgüter transportierte man nun in Waggons, auch Holz zum Heizen und zum Bauen.
Schon seit dem Mittelalter hatten die Ballungsräume des sächsischen Kurfürstentums einen gewaltigen Bedarf an dem nachwachsenden Rohstoff. Für den Transport von den ausgedehnten Gebirgswäldern in die Städte machten sich die Menschen die Flüsse zunutze. Die Idee war allerdings schon damals nicht neu, weiß der Vorsitzende des Vogtländischen Flößervereines Muldenberg, Bernd Kramer, und erinnert an die erste urkundliche Erwähnung Plauens von 1122. Vicus plawe hieß die Siedlung, laut Vogtländischem Ortsnamenbuch bedeutet plav im Altsorbischen so viel wie Holzschwemme oder Flößplatz. Demnach transportierten schon die Gründer Plauens Holz auf dem Fluss. ...

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Kaleidoskop
Episode: Der Lebende unter den Toten; Stichwort: Zeitung
... aus dem Inhalt:


Episode

Der Lebende unter den Toten
Kaum eine Stadt, kaum eine Dorfgemeinschaft, die im Mittelalter nicht von der Pest heimgesucht wurde. Ursprünglich eine Erkrankung von wildlebenden Nagetieren, übertrugen Flöhe die Seuche auf den Menschen, und der gab die Bakterien durch Tröpfcheninfektion an seinesgleichen weiter. Kein Wunder bei den damaligen hygienischen Verhältnissen, dass sich der Schwarze Tod, damals „pestilentia maxima“ und „mortalitas magna“ genannt, in Windeseile ausbreitete. Nach 1347 wütete die Pest in Europa besonders toll. Etwa 25 Millionen Menschen starben, das entsprach ungefähr einem Drittel der Bevölkerung auf dem Kontinent. ...

Stichwort

Zeitung
Mit der Liberalisierung in Sachsen nach 1830 gründeten sich in den größeren vogtländischen Städten Zeitungsverlage. Das erste Blatt kam aber schon über 40 Jahre eher heraus.

Wir „ersuchen übrigens alle Menschenfreunde Voigtlands, uns von wichtigen Beförderungen, Begebenheiten, Todesfällen u.s.f. Nachricht zu geben, für welche Dienstleistung wir auf andre Art dankbar zu seyn, nicht ermangeln werden.“Mit dieser Bitte endete die Premierenausgabe des "Intelligenz-Blattes der Kreis-Stadt Plauen im Vogtlande" vom 12. März 1789. Ein paar Monate vor der großen Revolution in Frankreich also erschien im Vogtland die erste Zeitung. Vier...

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Heimatdichtung
Emil Leinweber: De Flieg un de Mück - Wies in' Laam zugett
... aus dem Inhalt:


De Flieg un de Mück

E fette Flieg aalt sich in dr warme Küch. Ball pappst se an' Broten, ball an' Schweizerkaas' rüm, ball zuhtscht se vun dr Sahne, ball nutscht se süß' Gebeck, ball lappert se vun' Ei'gemachten. O harrliche Zeit! Wie ...

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Person
Tischendorf: Wissenschaftler in einer fremden Welt - Vom Zaren geadelt
... aus dem Inhalt:


Die Professur hatte Constantin von Tischendorf schon mit 30 Jahren in der Tasche, später entdeckte er die älteste Handschrift des Neuen Testaments. Der gebürtige Lengenfelder beherrschte Alte Sprachen besser als viele seiner Landsleute ihre Muttersprache.

Als in der Religionsstunde Kirchengeschichte behandelt und der Codex Sinaiticus, entdeckt von Professor Konstantin von Tischendorf, erwähnt wurde, überkam die kleine Käte großer Stolz. All ihre Mitschülerinnen sahen neugierig zu ihr hin, und der Lehrer fragte, ob sie mit dem bedeutenden Theologen verwandt wäre.
„Ja“, hauchte Käte Tischendorf errötend, „das ist mein Großonkel gewesen.“ Und dann sollte sie etwas erzählen über den berühmten Verwandten. Sie sprach von dem Wappen, so wie ihr der Vater es erklärt hatte. Vom russischen Zaren Alexander hatte es dessen Onkel erhalten, als der Monarch ihn in den Adelsstand erhob. Im unteren Teil war eine Bibel zu sehen, seine Verdienste um dieses Buch andeutend, darüber ein Köhler mit seinem Schürbaum. Jenen Köhler nämlich, der beim sächsischen Prinzenraub von 1450 den jungen Prinzen Albert aus den Händen seines Entführers Kunz von Kaufungen befreit hatte, rechneten die Tischendorfs zu ihren Vorfahren.
Ihren Großonkel kannte Käte Tischendorf nur vom Hörensagen. Als sie, mittlerweile selbst eine promovierte Philologin, 1932 diese Kindheitserinnerung niederschrieb, war der Bruder ihres Großvaters schon über ein halbes Jahrhundert tot.
Begonnen hat der außergewöhnliche Lebensweg Constantin von Tischendorfs, der mit allen Vornamen Lobegott Friedrich Constantin hieß, in Lengenfeld. Am 18. Januar 1815 brachte die Frau des Stadt- und Gerichtsarztes Johann Gottlieb Tischendorf den Knaben zur Welt. ...

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Kaleidoskop
Möbel: Seit wann gibt es eigentlich ... Betten?
... aus dem Inhalt:


Der Mensch schläft, seit es ihn gibt. Anfangs ohne alle Klassenunterschiede auf dem blanken Boden, später dann kannte der Erfindungsreichtum um die nächtliche Lagerstatt kaum noch Grenzen.
Schon seit einigen Jahrtausenden ist Nachtruhe nicht mehr gleich Nachtruhe. Reich schlief sanft und weich, arm dagegen hart und unbequem. Dieses Prinzip galt, bis die Massenproduktion des Bettes aufkam. Die Urform unseres abendländischen Bettes findet man in den ersten Dynastien Ägyptens (etwa 3000 v. Chr.), also noch ein paar hundert Jahre vor dem Bau der drei Pyramiden von Giseh. Die Schlafstätten der ägyptischen Oberschicht waren Meisterstücke der Handwerkskunst. ...

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Alltag: Gesundheit
Rosskur beim Medizinmann - Leiden, Ärztekunst und Aberglaube
... aus dem Inhalt:


Wehe dem, der im Mittelalter ernsthaft krank wurde. Das faulende Gebiss „behandelte“ dann vielleicht der Hufschmied, eine Operation über sich ergehen zu lassen, war wie russisches Roulette. Kein Wunder bei solchen Aussichten, dass die Menschen an allen möglichen „heilenden“ Hokuspokus glaubten.

Am schlimmsten war es mit den Zähnen. Denn Schmerzen in den Kauleisten, davor war (und ist) im Laufe seines Lebens niemand gefeit. Heute schaffen gut ausgebildete Dentisten in einem solchen Fall schnell Erlösung. Doch früher, vor 200, 500, 1000 Jahren, war man übel dran, wenn es im Zahn zu zwicken und zwacken begann. Nicht umsonst charakterisierte Ambroise Paré (1510 – 1590), ein berühmt gewordener französischer Chirurg, den Zahnschmerz als den „heftigsten und grausamsten aller Schmerzen, die nicht zum Tode führen“.
Von Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638 – 1715) wissen wir, dass ihm die Mundpartie fast sein ganzes Leben lang schwer zu schaffen machte. Der nach außen strahlende Monarch schnabulierte gern Süßes, womit er sich die Zähne schon in jüngeren Jahren ruinierte. Als 40-Jähriger litt er an einem Kieferabszess, weitere sieben Jahre später hatte sich eine Fistel im linken Oberkiefer gebildet, so dass dem Franzosenherrscher dort sämtliche Zähne gezogen werden mussten. Während einer dieser Behandlungen rissen ihm die Ärzte ein Stück des Oberkiefers heraus. Um die Blutung in der Griff zu kriegen, brannten die Medizinmänner die klaffende Wunde mit glühenden Eisen aus. Majestät litt höllische Schmerzen. Schon rechnete man bei Hofe mit seinem Ableben. Doch Ludwig, den noch so manches andere Leiden quälte, war ein Mann von robuster Natur. Er überstand die martialische Behandlung, wenn auch nicht ganz unbeschadet. Fortan konnte der erste Mann im Staate Flüssiges nur noch höchst unappetitlich zu sich nehmen: Durch das Loch im Kiefer lief bei jedem Trinken und Gurgeln die Brühe aus der Nase, eine „jauchige Flüssigkeit von üblem Geruch“, wie Zeitzeugen berichteten. ...

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Verein: Schießen
Den Vogel abgeschossen
... aus dem Inhalt:


Seit sechshundert Jahren legen Plauener Schützen ihre Waffen an – am Anfang auch auf den Feind, später ausschließlich auf leblose Ziele. Bis ins vorige Jahrhundert blieben die Herren der Schöpfung beim Schießen unter sich.

Dass in einer spätmittelalterlichen Stadt das starke Geschlecht hin und wieder zu den Waffen griff, entsprach dem reinen Selbsterhaltungstrieb. Denn wer sonst sollte dem Feind Gegenwehr bieten, wenn der waffenstarrend vor den Toren aufmarschierte? Also übten die Männer zum Zwecke der Verteidigung gemeinsam mit der Armbrust, später mit Feuerbüchsen, und schlossen sich zu Schützenvereinen zusammen.
In Plauen geschah das vor ungefähr 600 Jahren. Ob tatsächlich anno 1406, dafür gibt es keinen schriftlichen Nachweis. Die Zahl hat jedoch Tradition. 1906 feierte die Privilegierte Plauener Schützengesellschaft (privilegiert, weil die Mitglieder ursprünglich für ihren Dienst an der Stadt Steuerprivilegien genossen) ihr 500-Jähriges, 1931 gab es ebenfalls einen großen Aufmarsch zum 525-Jährigen, und das Pfingst-Fest anlässlich des „600-jährigen Bestehens des Schützenwesens der Stadt Plauen“ liegt erst ein paar Wochen zurück.
Die Jahreszahl 1406 wurde bislang aus einer Protokolleintragung der Plauener Schützengilde vom Februar 1803 abgeleitet. Nach der, so die bisherige Deutung, gibt der Oberschützenmeister und spätere Bürgermeister Carl Fürchtegott Eberhardt das Alter der Plauener Schützengesellschaft mit 398 Jahren an. Wahrscheinlich falsch, meint Wolfgang Schrader. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter des Vogtlandmuseums hat die zurzeit laufende Sonderausstellung über die Plauener Schützengeschichte im Museum konzipiert und dazu die Protokollnotiz neu ausgewertet. Darin stehe, dass die „hiesige confirmierte Schützengesellschaft“ nur wenig älter sei als „ das ... vor wenigen Jahren hergerichtete Jäger-Corps“. Was Eberhardt unter „wenigen Jahren“ verstand, bleibt im Dunkel, ebenso das Gründungsjahr jenes Corps. Glaubt man der Quelle aus dem Stadtarchiv, dann müsste die Schützengesellschaft wohl zwischen 1390 und 1395 entstanden sein, schätzt Schrader. ...

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Kaleidoskop
Buchtipp / Museen, Ausstellungen
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Rätsel
Ein bisschen Statistik zum sächsischen Vogtland / Was verbirgt sich hinter dieser Tür?
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